Anrede,
Schaue ich mir mein Stück Fleisch auf dem Teller an, muss ich, als bekennende Fleischesserin, zugeben, dass der Genuss getrübt ist. Mir schießen Gedanken durch den Kopf, die sich rund um das Thema Tierwohl ranken.
Mir wird es mulmig im Magen, wenn ich darüber nachdenke, wie es um die Arbeits- und Wohnbedingungen derer bestellt ist, die im Akkord die Kotelett Stücke abtrennen, die Tiere schlachten und zerlegen.
Ich zitiere:
„Menschen werden benutzt, verbraucht, verschlissen und dann entsorgt!“ – Prälat Peter Kossen und Dr. Florian Kossen prangern in einer Pressemitteilung unmenschliche Lebens- und Arbeitsbedingungen osteuropäischer Arbeitsmigranten in der deutschen Schlachtindustrie an.
Bulgaren und Polen behandelt Dr. Kossen täglich in seiner allgemeinmedizinischen Praxis. Sie arbeiten in Großschlachthöfen. Was er sieht und hört, macht den Mediziner fassungslos und zornig. Die Totalerschöpfung der Patientinnen und Patienten ist fast schon alltäglich: „Viele arbeiten sechs Tage in der Woche und zwölf Stunden am Tag. Sie haben keine Möglichkeit der Regeneration, weil sie durch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ständig physisch und psychisch unter Druck stehen. Zitat Ende
Gewerkschaften, Menschen, wie Kossen und die Presse decken auf: Viele Beschäftigte in der Schlachtindustrie arbeiten unter unwürdigen Bedingungen. Sie werden häufig schlecht bezahlt, einigen von ihnen wird der zustehende Lohn vorenthalten. Die Arbeitszeiten sind oft katastrophal, Pausenzeiten nicht vergütet, Arbeitszeiten verschleiert, Lohnabrechnungen manipuliert und festgelegte Nachtzuschläge werden nicht gezahlt.
Die Menschen, die mit Werkverträgen in Schlachthöfen so viel und lange arbeiten, bis sie abends nur noch ins Bett fallen können, stumpfen irgendwann ab. Sicherheitsvorgaben und Regeln bedeuten immer weniger, die Quote muss erfüllt werde!
Zwar gibt es jetzt auch in der Fleischindustrie einen Mindestlohn, trotzdem bleiben geringe Löhne, hohe Abzüge und schlechte Arbeitsbedingungen bestehen. Aus der Branche zu hören ist, dass einige Subunternehmen, die viele Beschäftigte in die Schlachtfabriken entsenden deutsche Firmen gründen.
Sie greifen auf ein komplexes Geflecht zurück. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten könnten diese Firmen aufgelöst und einfach wieder neue gegründet werden. Das macht es besonders schwierig, Verantwortliche zu belangen. Hier muss für deutlich mehr Transparenz gesorgt werden. Die vielen Subunternehmen sind schwer zu entflechten und zu durchschauen.
Wir haben das Gesetz zur Sicherung von Arbeitsnehmerrechten in der Fleischwirtschaft aus 2017. Das Gesetz soll Beschäftigte in der Fleischindustrie besser schützen und dubiosen Praktiken mit Werkverträgen und Subunternehmern einen Riegel vorschieben. Leider scheint dieses Gesetz noch nicht zu wirken. Die Frage lautet: Gibt es gesetzliche Lücken, dann müssen diese identifiziert und geschlossen werden. Insgesamt brauchen wir wirksame Kontrollen durch staatliche Aufsichtsbehörden und das entsprechende Personal dafür.
Viele der ArbeitnehmerInnen kommen aus Osteuropa, werden mit falschen Versprechungen hierher gelockt, um in deutschen Fleischfabriken zu arbeiten. Die Unterkünfte sind zum Teil erschreckend, menschenunwürdig.
Alle Beschäftigten haben ein Anrecht auf angemessene Entlohnung und menschenwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen.
Werkverträge gehören abgeschafft. Was wir brauchen sind verlässliche Regelung für Einkommen über Tarifverträge und vor allem transparente Arbeits- und Anstellungsverhältnisse.
(Mit gutem Beispiel voran geht hier die Goldschmaus Gruppe. Sie wandelt Werkverträge in reguläre Arbeitsverträge um. Ausdrücklich zur Nachahmung empfohlen.)
Bei den Wohn- und Lebensbedingungen brauchen wir gute Modelle und Standards zum Bau von Werkswohnungen. Der Runderlass über die bauordnungsrechtliche und melderechtliche Behandlung von Unterkünften für Beschäftigte ist seit 2014 in Kraft. Die Vorgaben werden durch die Bauaufsicht überprüft, eine Kontrolle gehört dazu, ein erster zaghafter Erfolg.
Das Wohnraumschutzgesetz könnte hier wirken. Es wird konkrete Vorgaben zur Mindestausstattung und zum Zustand von Wohnraum enthalten.
Vor dem Hintergrund der aufgetretenen Tuberkulosefälle muss auch das Thema Gesundheitszeugnisse und deren Wirkung betrachtet werden. Hier müssen wirksame Maßnahmen entwickelt werden.
Wichtig ist auch das niedrigschwellige Angebot der Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Niedersachsen.
Alle Stellen sind angegliedert an die Bildungsvereinigung Arbeit und Leben und werden unteranderem aus Landesmitteln gefördert, das ist richtig und wichtig. An dieser Stelle gilt der ausdrückliche Dank Minister Olaf Lies. Er war es, der als Wirtschaftsminister, dieses Einrichtung etabliert hat.
Das Angebot richtet sich an ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich vorübergehend in Deutschland aufhalten.
Die Arbeit der Beratungsstellen muss auch weiterhin unterstützt werden. Schlachthöfe dürfen nicht unterbinden, dass ihre Arbeiter über ihre Rechte informiert werden!
Fazit: aus unwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen, müssen Arbeits-, Wohn- und Gesundheitsbedingungen werden, die Menschenwürdig sind!