Das 300 Quadratmeter große und elf Meter hohe Zeltdach reicht nicht aus, zu viele Interessierte stehen auf dem Schlossplatz. Steinbrück hat auf einem kleinen Podest unmittelbaren und entspannten Kontakt zu den an sternförmig angeordneten Tischen sitzenden Besuchern und antwortet auf Fragen, die das Publikum auf Karten notiert hat. Schnell schälen sich einige Schwerpunkte heraus: Bildung, Infrastruktur, gerechte Finanzen und hohe Mieten bewegen die Menschen.
Steinbrück wettert gegen die die unterschiedlichen Bildungssysteme in den Ländern, wirft der Bundesregierung vor, die Energiewende „desaströs zu managen“ und plädiert für gerechte Steuern und Regelungen für die Finanzmärkte.
„Wir wollen nicht alle Steuern für alle erhöhen, sondern nur einige Steuern für wenige. Es handelt sich um fünf Prozent der Bevölkerung“, sagt der Sozialdemokrat und erhält riesigen Beifall. Ähnlich ist es mit der Forderung nach einer Kontrolle der Finanzmärkte und der Äußerung, dass Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nicht verniedlicht werden dürften, sondern als kriminell bezeichnet werden müssten. „Mit mir kann man die Kavallerie satteln, wenn es gegen Steuerbetrug geht“, greift Steinbrück eine Äußerung aus seiner Zeit als Bundesfinanzminister auf und wird dafür bejubelt.
Plastisch schildert er Auswüchse auf dem Wohnungsmarkt und die Abhängigkeit der Wohnungsuchenden von der Willkür der Vermieter. Er setzt dagegen eine Mietpreisbremse und fordert, dass der Makler von dem bezahlt werden sollte, der ihn bestellt habe. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Kritik am Missbrauch der Leiharbeit und auskömmlicher Mindestlohn, lauten die Forderungen für die Arbeitswelt.
Auch die Datensammlung durch die Geheimdienste kritisiert der SPD-Kanzlerkandidat und spricht von einer Verletzung von Grundrechten. Der NSA (US-Geheimdienst) „traue ich von hier bis zum Landesmuseum (das wenige Meter entfernt ist)“, sagt Steinbrück und möchte sich zu Kanzleramtsminister Pofalla (CDU), der den Geheimdiensten gleich einen Persilschein ausgestellt habe, nicht äußern. „Ich bin ja ein sehr diplomatischer Mensch“, sagt Steinbrück, will aber auch auf Gesten verzichten und erntet Lacher.
Der Kanzlerkandidat, der während seiner Bundeswehrzeit in Oldenburg in die SPD eingetreten ist, („Hier war mein Ursprung als Sozialdemokrat“) fesselt die Besucher, auch ein heftiger Regenschauer kann sie nicht vertreiben. „Kommt unter das Zelt“, sagt Steinbrück und fordert alle auf, ein wenig zusammenzurücken.
Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit, um diese Werte gehe am 22. September, sagt der Sozialdemokrat, der soziale Gerechtigkeit mit ökonomischer Vernunft verknüpfen und dem Land eine Richtung geben will. „Man wird in den Zusammenhalt dieses Landes investieren müssen. Ich habe eine Vorstellung davon und würde gerne dafür arbeiten als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland“, sagt Peer Steinbrück und trifft damit auf dem Schlossplatz in Oldenburg „das Herz der Genossen“ und den Nerv der Besucher, die ihn mit viel Beifall verabschieden.
Vor dem Kanzlerkandidaten, der vom Oldenburger SPD-Vorsitzenden Jürgen Krogmann begrüßt worden war, präsentierte Moderator Martin Kaufmann die SPD-Bundestagskandidaten aus der Region in kurzen Interviews. Susanne Mittag, Karin Evers-Meyer und Dennis Rohde äußerten sich zur Verkehrsinfrastruktur, zu Kinderbetreuung und den Mieten in Oldenburg. Und im neuen Bundestag haben alle drei eine besonders wichtige Aufgabe: „Wählen sie Karin Evers-Meyer, Dennis Rohde und Susanne Mittag“, forderte Peer Steinbrück die Besucher auf, „damit die mich im Bundestag zum Kanzler wählen können“.
© (hm), SPD Weser-Ems, 2013